DFG-Projekt: Kolophone in deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters

Dissertationsprojekte

Im Rahmen des Projekts werden durch die Dissertationsvorhaben der beiden im Projekt beschäftigten Doktorand*innen zwei grundlegende Arbeiten zur Kolophonforschung entstehen. 

Diss. 1 (Wiebke Witt): Kolophone als Textsorte – Muster, Konventionen und poetische Signifikanz [Arbeitstitel]

Ziel dieses Dissertationsprojekts ist es, eine grundlegende Erfassung und Konturierung von Kolophonen als spezifische Form des handschriftlichen Paratextes vorzunehmen. Im Gegensatz zur romanistischen Forschung steht für den germanistischen Fachbereich eine umfassende Betrachtung von Kolophonen mit dem erklärten Ziel einer Typisierung bislang aus – eine Forschungslücke, die diese Arbeit schließen möchte.

Hierzu werden die signifikanten Merkmale von Kolophonen in den deutschsprachigen Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts herausgearbeitet und von anderen Phänomenen wie Glossen, Subskriptionen oder explicits abgegrenzt. Kolophone werden in dieser Arbeit konsequent als eine Textsorte mit einer eigenen Poetik betrachtet, die spezifische Muster und Konventionen ausbildet und die verschiedene Genesen und Transformationen durchlaufen hat. Die Arbeit zielt dabei auch auf einen Vergleich mit der lateinischen Kolophon-Tradition ab. Dies erfolgt anhand einer Analyse des Hauptkorpus, das die lateinischen und deutschsprachigen Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg umfasst. Dadurch können Traditionslinien und Gemeinsamkeiten zwischen lateinischen und volkssprachlichen Kolophonen, vor allem aber auch die Spezifika der deutschsprachigen Skripturalität aufgezeigt werden.

Diss. 2 (Maximilian Nöldner): „Kolophone als Schreiberäußerung zwischen Texttypologie und Tradition“

Im Rahmen des Dissertationsprojekts werden Kolophone als intentionale Schreiberäußerungen aufgefasst und im unmittelbaren handschriftlichen Überlieferungskontext gelesen. Die Untersuchungsgrundlage dafür bilden deutschsprachige Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, wobei unterschiedliche Textsorten für das Korpus ausgewählt werden. Neben grundsätzlich gut beschriebenen Angaben zu Datierung und Schreibernamen (die jedoch im spezifischen Verwendungskontext neu bewertet werden müssen) werden die untersuchten Kolophone nach weiteren im Rahmen der Dissertation erarbeiteten semantischen Kategorien systematisiert. Eine solche systematische Untersuchung hinsichtlich eines texttypologischen Gehalts steht in der germanistischen Mediävistik bisher aus und ermöglicht eine Neubewertung von Textphänomenen, die bislang kaum jenseits ihres historischen und kodikologischen Informationsgehalts untersucht wurden. Darüber können gängige Forschungsmeinungen, die Kolophone entweder als spontane Ausdrucksmöglichkeiten von Kopisten oder als ein durch sozialhistorische Milieus vorgegebenes Formelgerüst ansehen, ergänzt und somit neue Impulse für die Kolophonforschung geliefert werden. Ziel dieses Vorgehens ist eine stärkere Konturierung des Selbst- und Textbewusstseins mittelalterlicher Schreiber und Schreiberinnen im deutschsprachigen Raum, wodurch die mediävistische Forschung zu vormoderner Autorschaft, Gattung und Fiktionalität weiter kontextualisiert werden kann.