DFG-Projekt: Kolophone in deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters

Projektbeschreibung

Das Projekt nimmt eine systematische Erfassung und Erforschung von Kolophonen in deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters vor. Kolophone, also Schreiberzusätze, die zumeist am Ende von Handschriften respektive der enthaltenen Texte stehen, können verschiedene Informationen zur Entstehung der Handschrift enthalten, v.a. den Namen des Schreibers/ der Schreiberin sowie Entstehungsort und -zeit der Handschrift. Neben solchen pragmatischen Daten finden sich in Kolophonen häufig verschiedene Formen der Kommentierung, die sowohl formelhaft als auch höchst individuell sein können, etwa zur Person des Schreibers/ der Schreiberin, zur Schreibtätigkeit oder auch zum verschriftlichten Text. Mit diesen Kommentaren und Reflexionen stellen Kolophone nicht nur eine spezifische Form des handschriftlichen Paratextes dar, sie sind auch eine der wenigen Quellen, die Rückschlüsse auf die mittelalterliche Schreibinstanz und deren Text- und Selbstverständnis erlauben. 

Im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts wurden ca. 11.000 Handschriften des 12.-15. Jhs. aus insgesamt 29 Bibliotheken und damit ein signifikanter Teilbestand des deutschsprachigen Handschriftenerbes auf ihren Kolophonbestand ausgewertet (Liste der Bibliotheken). Basis der Datenerhebung sind die Kataloge der Bibliotheksstandorte, die systematisch auf Hinweise zu Kolophonen/ Schreibereinträgen überprüft wurden. Es wurden etwa 2.200 Handschriften mit insgesamt gut 3.400 Kolophonen identifiziert und in der Kolophon-Datenbank erfasst.

Die Einträge in der Datenbank enthalten Transkripte der Kolophon-Texte, die enthaltenen pragmatischen Informationen (Person, Ort, Datum) sind über kontrolliertes Vokabular annotiert, es werden außerdem Angaben zur ästhetischen Gestaltung der Kolophone gemacht, der ebenfalls eine bedeutungstragende Dimension zukommen kann. Sofern Kolophone Inhalte jenseits pragmatischer Informationen haben, wird eine Zuweisung einer oder mehrerer semantischer Kategorien vorgenommen (Geistliche Formeln und Fürbitten; Reflexionen auf den Text/ Codex; Kommentierung der Schreibtätigkeit; Selbstaussagen; Poetische Gestaltung; Beispiele siehe unter „Kolophone: Definition, Beispiele und Kriterien der Erfassung“), die über die WebApp statistisch ausgewertet werden können. Weiterhin werden die Handschriften nach den enthaltenen Texten typisiert (pragmatisch/ didaktisch; fiktional/ weltlich; geistlich; historiografisch; astronomisch; medizinisch; juristisch), um texttypologische Auswertungen des Kolophonbestands vornehmen zu können.

Über die WebApp kann auf den Kolophonbestand des Projekts zugegriffen werden, verschiedene spezifisch zugeschnittene Auswertungsmöglichkeiten auch inhaltlicher Parameter ermöglichen die Abfrage und statistische Auswertung verschiedenster sowohl quantitativer wie auch qualitativer Parameter. 

Das Projekt wird für die Dauer von drei Jahren von der DFG gefördert (Projektbeginn 01.10.2021), die technische Realisierung erfolgt in Kooperation mit der Universitätsbibliothek Kiel/ Stabsstelle Digital Humanities.

Die Veröffentlichung der WebApp erfolgt im Oktober 2024.

Technische Realisierung

Software

Die Erfassung der Daten und deren Publikation wird mit der digitalen Arbeitsumgebung ediarum realisiert, welche seit 2012 von TELOTA entwickelt wird. Die Erfassung der Daten erfolgt über die eine mit ediarum angepasste Version des oXygen XML Editors, welche zusätzlich um projektspezifische Funktionen erweitert wurde. Die so eingegebenen Daten werden auf einem Server gespeichert, auf dem die freie XML-Datenbank existdb läuft. Für die Webpublikation wird auf das ediarum-Modul ediarum.web zurückgegriffen, welches eine mit der Datenbank verbundene Weboberfläche bietet.

Daten

Die Daten werden nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) kodiert. Die Grundlage für die Erfassung von Handschriften sind die frei zugänglichen Daten des Handschriftencensus, welche in TEI XML transformiert werden. Die TEI-Dateien werden um die entsprechenden Kolophonelemente erweitert, welche weiter annotiert werden.

Für die Personen-, Werks- und Ortsregister werden ebenfalls Daten aus dem Handschriftencensus genutzt, in TEI-XML transformiert und um projektspezifische Informationen erweitert. Wo es möglich ist, werden die Daten mit der Gemeinsamen Normdatei (GND) verknüpft.